Unmittelbar am Ortseingang von Esthal liegt unterhalb der Kreisstraße ein historischer Brunnen, der Tränkenbrunnen. Das kostbare Kulturerbe bleibt den Blicken zunächst verborgen. Um die ganze Brunnenanlage im Tränkental zu sehen muss man sich über einen Pfad hinab bemühen.
Bis in die 1960er Jahre wurde der Tränkenbrunnen als Waschbrunnen benutzt. Dorthin gingen vor allen die Frauen der „Vorstadt“, während die Frauen aus dem Oberdorf die Wäsche zum Schelmenteichbrunnen brachten. Aber auch der Straufelsbrunnen wurde zum Waschen benutzt, weiß Annel Conrad aus eigenem Erlebnis. Zum Hebbrunnen brachte man nur die dunkle Wäsche.
Montag war der Hauptwaschtag für die Esthaler Frauen, erinnert sich Trude Paulig, die schon als kleines Mädchen vom Wohnhaus am Michelsberg hinunter zur Hauptstraße eilen musste um zu sehen wie viele Frauen noch am Brunnen anstanden.
Dann wurde die zuhause eingeseifte und gekochte Wäsche in die „Brenk“ (Wanne aus verzinktem Eisenblech) getan, diese dann auf den hölzernen Schubkarren gestellt und los ging die Fahrt hinunter zum Brunnen. Das Warten bei den Waschfrauen war kurzweilig, man plauschte und hat sich gegenseitig geholfen.
Sehr anschaulich beschrieb Annemarie Histing in der Esthaler Ortsgeschichte den Waschvorgang am Tränkenbrunnen: „Ich fuhr noch 1949 mit einer Wanne voll heißer Wäsche auf dem Schubkarren die Hauptstraße hinab, das schmale Pfädchen zum Tränkenbrunnen um unsere Wäsche zu schwenken. Die Wäsche roch dann immer besser! Das halbrunde Einlaufbecken der gefassten Quelle gab das Wasser an zwei längs nebeneinander verlaufende Tröge ab. In diese wurden die Wäschestücke einzeln der Länge nach nebeneinander gelegt und ziegelförmig übereinander geordnet. Man verstopfte dann den Abfluss mit einem Tuch. Während der Trog sich nun mit Wasser füllte, wurde die dunkle Wäsche auf einem senkrecht ans dem Boden ragenden Quaderstein bearbeitet. Früher wurde die Wäsche mit einem Holzbrett, der „Schlage" geplätscht, d. h. geklopft, damit das entweichende Wasser den Schmutz mitnehmen sollte. Als das Wasser im ersten Trog bis zum Rand stand, öffnete man den Abfluss und das Wasser schoss nun in den nächsten Trog und riss die Seifenreste mit sich fort. Dieses bereits getrübte Wasser genügte noch zum Schwenken der dunklen Wäsche. Von Hand wurden nun die Stücke ausgewunden. Natürlich konnte man bei diesem Waschen herrlich plauschen, da ja immer zwei bis drei Wäscherinnen tätig waren und die nächsten schon bereit standen.“
Am Tränkenbrunnen wurde früher auch Trinkwasser geschöpft. Später, nachdem die Wasserversorgung der Häuser über ein Leitungsnetz erfolgte, das war Anfang 1900, war der Brunnen im Tränkental trotzdem für die Frischwasserversorgung der Esthaler Bürger wichtig geblieben. Vor allem dann, wenn im Winter die Wasserleitungen geplatzt waren oder die Wasserversorgung wieder mal unterbrochen war. Dies war besonders in den Anfangszeiten der neuartigen Wasserversorgung nötig. Natürlich standen die Tröge auch zum Tränken des Viehs zur Verfügung.
Wie wertvoll die Brunnen auch in jüngerer Zeit eingeschätzt wurden, zeigt sich daran, als 1984 bei der Erneuerung der Kreisstraße am Ortseingang die darunter liegende Brunnenkammer des Tränkenbrunnen einzustürzen drohte. Damals hatte der Landkreis als Straßenbaulastträger die Bedeutung der Brunnenanlage erkannt und sie für 280 000 Mark wieder hergestellt. Durch Gebirgsdruck, wie die Fachleute damals feststellten, waren in der Brunnenkammerbrücke Risse im Bereich zwischen dem älteren Teil und dem um 1920 verlängerten Abschnitt des Gewölbes aufgetreten.
Um den Bestand der Brunnenkammer und damit auch die Verkehrssicherheit der Straße zu gewährleisten, musste die Brücke saniert werden, ohne dabei das charakteristische Bild des Bauwerks zu zerstören.
Das ganze Bauwerk wurde durch einen Betonmantel gesichert. Dabei musste auch auf die Quelle Rücksicht genommen werden. Mit viel Einfühlvermögen, so wurde damals festgestellt, sei es gelungen ein Stück Vergangenheit zu erhalten. Der damalige Esthaler Bürgermeister Otmar Blum bezeichnete diese Maßnahme an der Brunnenkammerbrücke gar als Jahrhundertbauwerk für Esthal.
Nach den Sanierungsarbeiten im Jahre 1983 an der Brunnenkammer und der Brunnenkammerbrücke wurde der Esthaler Steinmetzmeister Alfons Roth beauftragt die komplette Brunnenanlage mit Einlaufbecken, Trögen und Klopfsteinen neu zu gestalten nach Vorbild der alten Anlage.
Einige Zeit später hörte die Quelle auf zu laufen. Natürlich waren alle Vermutungen darauf gerichtet, dass die Quelle bei der Straßensanierung beschädigt oder verschüttet wurde.
Aber nach starken Niederschlägen im Jahre 1994 sprudelte der Brunnen wieder so wie in früheren Zeiten. War ein sinkender Grundwasserspiegel die Ursache? Die Meinungen gehen hier weit auseinander.
Im gleichen Jahr hatten sich das Fernsehen und das Radio in Esthal angemeldet und wollte über die Waschbrunnen berichten.
Da drehten die Frauen der Kfd-Esthal das Rad der Zeit um viele Jahre zurück, schlüpften in die Kleider ihrer Mütter, holten Schubkarren und „Brenk“ und haben einen Waschtag am Tränkenbrunnen noch einmal lebendig werden lassen.
Im Jahre 2015 wurde das Auffangbecken durch Albert Kuhn und Helmut Weitzel frisch verfugt und die Brunnenanlage überholt. Im darauffolgenden Jahr erhielt der Tränkenbrunnen einen Namensstein. Die beiden engagierten Esthaler haben einen Sandsteinfindling organisiert, den Schriftzug “Waschbrunnen Tränke“ eingemeiselt und den Stein am Tränkenbrunnen aufgestellt.
(Harald König)